07. August 2024
In welcher Verbindung stehst du zum ZFF? Wie oft hast du das Festival bereits besucht?
Im Jahr 2006 hat der frühere ZFF-Partner Thomas Sterchi ein unabhängiges Beratungsgremium für die fiktionale Stoffentwicklung des Traditionsunternehmens Condor Films, die ihm damals gehörte, mit sehr unterschiedlichen Branchen-Vertretern zusammengestellt. Dazu hatte er u.a. auch ZFF Co-Gründer Karl Spoerri und mich engagiert. Ich habe mich sofort mit Karl verstanden und in ihm einen leidenschaftlichen und begeisterten Filmliebhaber erkannt, der schon damals große Pläne für das noch sehr junge ZFF hatte. Als Gast war ich dann – denke ich – im darauffolgenden Jahr zum ersten Mal beim Festival.
Mit ganz wenigen Ausnahmen, bei denen ich sicher gute Gründe hatte, war ich danach jedes Jahr vor Ort. Über die Jahre hatte ich das Glück, das Festival aus verschiedensten Perspektiven zu erleben. Ab 2009 habe ich für zwei Jahre Karl, Viviana & Co auch bei der Programmierung unterstützt und beim Festival diverse Premieren und Masterclasses moderiert. Ich habe damals für ein Schwesterunternehmen des ZFF gearbeitet: Millbrook Pictures, die u.a. auch David Cronenberg’s A DANGEROUS METHOD co-produziert hat.
Im Jahr 2018 hatte ich als Produzent Weltpremiere mit dem Film TRAUTMANN beim ZFF – mit David Kross in der Hauptrolle. Als ich 2021 bei Netflix anfing, saß ich im Herbst auf einem Panel beim Zurich Summit und 2022 haben wir die Europapremiere von IM WESTEN NICHTS NEUES ebenfalls in Zürich gefeiert.
Wie hast du die Entwicklungen des ZFF miterlebt?
Es war sehr schnell erkennbar, dass es eine unglaublich tolle Resonanz der Zürcher – die von jeher sehr filmaffin sind – auf das Festival gab. Die Branche war zunächst etwas skeptischer, aber das hat sich schnell ins Gegenteil gewandelt, als nach und nach immer mehr Hollywood an die Limmat gereist kam. In einer beeindruckenden Geschwindigkeit konnte man erleben, wie das Festival wuchs, an Professionalität und Renommee gewann und innerhalb von wenigen Jahren zu einer festen Institution wurde.
Wie wichtig ist das ZFF aus deiner Sicht für den internationalen Filmmarkt?
Die eben erwähnte Institution ZFF hat seit einem guten Jahrzehnt auch im internationalen Festival-Zirkus einen festen Platz erreicht. Es ist zeitlich gut nach Venedig und zwischen Toronto und Telluride platziert. Die Herbstsaison ist traditionell eine gute Plattform für potentielle Oscar-Kandidatinnen und Kandidaten… Es ist ein bisschen wie ein "Wahlkampf” Die Filmemacherinnen und Filmemacher und die Darstellerinnen und Darsteller reisen gerne zu den Festivals, um dort ihre Filme zu unterstützen. Der ganze «Buzz» bringt meist auch eine geschäftliche Komponente mit sich. Sales Agents und Filmrechte-Einkäuferinnen und Einkäufer folgen, es entstehen Filmmärkte. Das ZFF hat in diesem Bereich insbesondere mit dem Zurich Summit eine Veranstaltung im Angebot, die weltweit namhafte Branchenvertreterinnen und Branchenvertreter anlockt und ein starkes Networking-Event ist.
Du arbeitest für Netflix. Im Festivalalltag hören wir oft das Vorurteil, dass die Kino- und Streamingwelt nicht harmonieren. Wie siehst du das? Wie können die beiden Parteien aus deiner Perspektive auch voneinander profitieren?
Das Wort "Vorurteil" bringt es auf den Punkt. Ich kann natürlich nur aus Netflix-Perspektive und nicht für alle Streamer sprechen – aber wenn man genauer hinsieht, wird man erkennen, dass weder wir noch 99 Prozent der Festivals gegenseitige Berührungsängste haben. Im Gegenteil: Wir erkennen einen großen Mehrwert, wenn unsere Filme bei Festivals zum ersten Mal von einem Publikum, der Presse und der Branche entdeckt werden können. Es ist eine wunderbare Erfahrung, gemeinsam mit kreativen Partnern einen Film mit der Welt zu teilen, erste Reaktionen zu erleben und Stimmen vor Ort einzufangen.
Allerdings bieten sich natürlich nicht alle unsere Filme für jedes Festival an. Das hat immer auch mit der Art des Films, dem Timing der Fertigstellung und dem Launch-Termin zu tun. Für Festivals geht es ja immer auch darum, eine Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven im Programm widerzuspiegeln. Sie brauchen auch Filme, die sich im traditionellen Filmgeschäft schwerer finanzieren ließen oder für das klassische, sich wandelnde Kinogeschäft als zu großes Risiko erscheinen und ohne die Unterstützung von Streamern nicht entstehen könnten.
In den letzten Jahren hat Netflix jedenfalls eine beachtliche Bandbreite an außergewöhnlichen und starken Filmen aus allen Regionen der Welt auf vielen Festivals, auch dem ZFF, zum ersten Mal einem Publikum gezeigt.
Gibt es einen Film aus 20 Jahren ZFF-Programm, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich erinnere mich gut an die Premiere von John Hillcoat’s THE ROAD im Jahr 2009, die ich anmoderiert habe. Der Film ist ein Endzeit-Drama mit Viggo Mortensen, der einen Vater spielt, der mit seinem Sohn durch die postapokalyptische USA wandert. Ein Szenario, das mir als unglaublich bedrohlich in Erinnerung blieb. Es ging dabei um eine Zeit nach einem nicht näher benannten kataklysmischen Vorfall. Der Film ist ein starker Reminder und eine Warnung, wie schnell sich gesellschaftliche Strukturen bedenklich verändern können. Seine Aussage hat gerade heute nichts an Relevanz verloren.
Welches ist abgesehen davon deine liebste Erinnerung ans ZFF?
Unsere Weltpremiere von TRAUTMANN war sicher ein persönliches ZFF-Highlight für mich. Mit Regisseur Marcus H. Rosenmüller und unseren Hauptdarstellern David Kross und Freya Mavor hatten wir einen emotionalen und wunderschönen Abend. Wir wurden mit offenen Armen aufgenommen und es saßen eine Menge meiner Zürcher Verwandten im Corso Kino. Zudem entstand damals eines der besten Schnappschuss-Fotos, das ich kenne. Wir waren bereits kurz vor dem Sprung in die Fahrzeuge, die uns zum grünen Teppich fahren sollten, da sollten wir noch schnell gemeinsam zusammenstehen. Die Betonung liegt auf schnell! Das Bild entstand in wenigen Minuten und ist doch perfekt choreografiert und ausgeleuchtet.
Wenn du dir einen Gast ans ZFF wünschen dürftest, wem würdest du gerne persönlich auf dem Green Carpet begegnen?
In den ersten Jahren des Festivals habe ich ein paar Mal Sean Connery vorgeschlagen. Er stand damals schon für 50 Jahre Filmgeschichte – aber hat sich, was viele nicht wissen, in seiner Heimat Schottland auch stark für den sozial benachteiligten Nachwuchs engagiert und Stipendien an Studenten vergeben. Ich habe ihn in den 2000ern beim Filmfestival in Edinburgh mehrfach live erlebt und war von seinem Auftreten und seiner klaren Haltung sehr beeindruckt. Er hatte unfassbares Charisma. Man hat sofort gespürt, wieso er ein Weltstar war. Seine Wirkung auf einen Raum war erstaunlich. Er hat sich aber 2010 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und ist im Jahr 2020 leider verstorben – er hätte dem ZFF sehr gut gestanden! In dieser Kategorie «lebender Legenden» fällt mir auch Anthony Hopkins ein. Er dreht noch immer, ist inzwischen 86 Jahre alt. Auch ihm bin ich schon persönlich begegnet – aber gegen ein Wiedersehen auf dem grünen Teppich hätte ich nichts. Vielleicht hat er ja Lust auf einen Besuch in Zürich?