10. April 2024
Zürich ist reich an schönen Plätzen: Der Paradeplatz ist das Herz des Finanzzentrums, der Helvetia-Platz im Chreis Cheib der Treffpunkt für Menschen aus vielen Kulturen und der Bahnhofplatz inspiriert Touristen aus aller Welt zum Fotos machen vor der Statue von Alfred Escher. Doch der schönste Ort ist der Sechseläutenplatz im Herzen Zürichs, direkt am See und nahe der Limmat. Hier lässt es sich flanieren, bei einem Espresso im Restaurant Collana die anderen Menschen beobachten und die Sicht über den See hinweg auf Üetliberg und die gezuckerten Alpen geniessen.
Als Student bin ich jeweils mit der S12 aus Winterthur nach Zürich gekommen, im Nebel abgefahren und habe mich dann von der Sonne am Sechseläutenplatz bezaubern lassen. Der Sechseläutenplatz ist aber auch der Ort für die beiden grossen kulturellen Highlights im Stadtleben: das Frühlingsfest Sechseläuten und, äxgüsi, das Zurich Film Festival, welches dieses Jahr sein 20-Jahr-Jubiläum feiert und die Bevölkerung mit einem neuen Festivalzentrum als Treffpunkt beglückt.
Punkt 18 Uhr wird am Montag, 15. April, auf dem Sechseläutenplatz der Böögg, dieses Symbol des Winters, angezündet, nachdem die 350 Reiter der verschiedenen Zünfte hoch zu Ross ihre Runden um den brennenden Schneemann gedreht haben. Mit dem Böögg soll der Winter vertrieben und die warme Jahreszeit willkommen geheissen werden. Das Sechseläuten ist ein wahres Volksfest, das jeweils über eine Viertelmillion Schaulustige anlockt und in der TV-Live-Übertragung von SRF zuletzt einen Marktanteil von 52 Prozent erreichte, von denen die Basler Fasnacht mit ihrem Zmorgestreich nur träumen kann.
Das ZFF ist am Sächsilüüte ebenfalls unterwegs – unser Präsident Roger Crotti ist Gast in der historischen Zunft zur Saffran (*1336) und ich werde als Gast in der Zunft zur Wiedikon mitmarschieren. Das ist zwar im Umzug die letzte der 26 Zünfte (wobei die Constaffel die Form einer Gesellschaft hat), dafür läuft bei uns Bundesrat und Medienminister Albert Rösti mit.
Der Sechseläutenplatz ist aber natürlich auch der Home Turf des Zurich Film Festival. Dort steht unser Festivalzentrum, wo die Besucherinnen und Besucher sich vor dem Kino zum Apéro treffen oder nach der Vorführung über die Filme diskutieren – und oft auch noch auf Filmschaffende treffen. Dort liegt aber auch der grüne Teppich, über den die Stars schreiten – die dann zuweilen kurz warten müssen, bis die blauen Traums vorbeigezogen sind. Weltstar Hugh Jackman fand es grossartig, dass er dem 11er mit Destination Auzelg den Vortritt lassen musste und winkte happy den Fahrgästen im Tram zu. So was gibt es eben nur in Zürich. Auch Sharon Stone war angetan von der Stimmung auf dem Platz. Sie verzückte die Fans in einem goldigen Paillettenkleid und verlängerte ihren Aufenthalt in Zürich kurzerhand um ein paar Tage.
Der Sechseläutenplatz ist aber auch so etwas wie der Times Square der Schweiz, das Epizentrum der Unterhaltung. Hier steht mit dem im Jahr 1900 als Variété-Theater eröffneten Kino Corso das grösste Mainstreamkino der Schweiz – und mit dem Le Paris das grösste und schönste Arthouse-Kino der Schweiz. Und zwar auf Augenhöhe mit dem 1891 eröffneten Opernhaus und der 1780 gegründeten Neuen Zürcher Zeitung, unserer Besitzerin, die ich unseren internationalen Gästen jeweils als «New York Times der Schweiz» vorstelle.
Für mich hat dieses Nebeneinander von Populärkultur und Hochkultur etwas Symbolisches: Sie verweist auf den hohen Stellenwert, welche die siebte Kunst bei uns in Zürich hat. Sitzt der Film in Deutschland unter den Künsten am Kindertisch, so ist er bei uns auch das Liebkind des Bildungsbürgertums und des Wirtschafts-Establishments. Was sich ja auch daran zeigt, dass bei uns jeweils der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin das ZFF eröffnet, während in Berlin der Kanzler den Filmfestspielen Jahr für Jahr einen Korb gibt, obwohl das Kanzleramt einen Steinwurf neben dem Berlinale-Palast liegt.
Bis in die neunziger Jahre gab es am Platz auch noch das Familienkino Bellevue, wo viele Zürcher die ersten Kinoerlebnisse ihres Lebens hatten und Disney-Klassiker wie das DAS DSCHUNGELBUCH oder THE LION KING sahen. Damals wurden am Sechseläutenplatz 10 Prozent aller Kinoeintritte der Schweiz erzielt. Hier fanden auch die grossen Premieren statt und es kamen Stars wie Harrison Ford, Sean Connery, Audrey Hepburn oder Sophia Loren vorbei. Und am Montag wird wieder alles, was Rang und Namen hat, auf dem Platz aufmarschieren zum tollen Frühlingsfest.
Wir vom Zurich Film Festival wünschen allen ein schönes Sächsliüüte,
Christian Jungen Artistic Director ZFF