18. Januar 2024
Wann und wie kam die Idee auf, ein Filmfestival in Zürich auf die Beine zu stellen?
Ich war damals Besitzer einer Agentur (CAM), welche Talente sowie Unternehmen im Eventbereich beriet und vermarktete. Wir hatten Büros in München und Köln und arbeiteten zunehmend auch für größere Unternehmen. Für einen Kunden suchte ich nach einem progressiven Filmfestival und entdeckte das onedotzero-Festival in London, das sich auf avantgardistische Kurzfilme spezialisierte. Der Tipp kam von Tim Geser, einem Studenten der ZHdK. Obwohl der Kunde letztendlich von onedotzero absah, war ich fasziniert von der Idee und entschied mich, das Festival gemeinsam mit Tim nach Zürich zu bringen. Wir erwarben die Lizenz für die Schweiz.
Das erste onedotzero-Festival in Zürich fand Ende Oktober 2004 statt und lockte fast 3000 Besucher an. Dieser bescheidene Erfolg inspirierte mich. Ich begann, größer zu träumen. Gemeinsam mit Nadja Schildknecht planten wir dann, ein internationales Filmfestival in Zürich zu etablieren. Die Stadt schien mir perfekt dafür: Mit erstklassigen Hotels, einer guten Kinoinfrastruktur, einem kulturbegeisterten Publikum und vielen potenziellen Sponsoren hatte Zürich alles, was es für ein erfolgreiches Festival brauchte. Zudem kannte ich die Probleme der grossen Festivals und war überzeugt, dass Zürich vieles besser machen konnte. Ich habe zwar von grossen Premieren und Filmen in Zürich geträumt, aber der Businesscase und die Komplexität hinter einem internationalen Festival konnte ich mir damals nicht recht vorstellen.
Wie hat dein Umfeld auf den Plan reagiert, das ZFF ins Leben zu rufen?
Kino war immer meine grosse Leidenschaft. Nichts hat mich mehr interessiert als Filme. Besonders die grossen Helden der 80er Jahre haben es mir als Jugendlicher angetan: Rocky, Indiana Jones und Beverly Hills Cop habe ich als Teenager wie ein Süchtiger in Dauerschleife auf unserem VHS-Gerät konsumiert. Obwohl sich mein Filmgeschmack über die Jahre entwickelt hat, habe ich noch immer viel Sympathien für diese Titel. Mit 21 Jahren habe ich meinen ersten Kinofilm als Schauspieler gedreht: «Tschäss» von Daniel Helfer und wurde zudem Ensemblemitglied vom Schauspielhaus Zürich. Damals war das Theater aufregend und ein Publikumsmagnet. Ich konnte viele Kontakte knüpfen und die Branche kennenlernen. Bereits mit 25 Jahren habe ich dann die besagte Agentur CAM gegründet. Ich war in meinem Umfeld als Jungunternehmer bekannt und wollte immer etwas Neues probieren. Insofern war es keine grosse Überraschung. Aber mit einem Festival hat auch mein Umfeld nicht gerechnet.
Was waren die grössten Herausforderungen, die bei der Gründung und der Organisation des ersten Festivals auf dich und Nadja zugekommen sind?
Ein Festival zu organisieren ist sehr komplex und es gibt viele Puzzleteile, welche zusammenkommen müssen. Am Anfang verkauft man ein Luftschloss: «Hallo, lieber Sponsor, du kennst uns nicht und wir haben auch keine Erfahrung, aber wir möchten gerne ein Filmfestival in Zürich veranstalten. Sponsor: Warum? Spoerri/Schildknecht: Weil Zürich ein Filmfestival braucht! Sponsor: Verstanden, aber warum ihr? Da braucht es doch Profis!»
Dann putzt man 150 Türklinken, arbeitet Tag und Nacht und bekommt fast nur Absagen. Dann kommen erste Minierfolge und man kann einen ersten Vertrag abschliessen und 20'000.- verrechnen – vorausgesetzt, dass das Festival stattfindet… Dann geht man weiter zu den Filmverleihern und erzählt von der Idee. Wieder lange Gesichter: «Das braucht es doch nicht! So eine dumme Idee. Wir haben Solothurn und Locarno. Und sowieso, wieso ihr?» Und dann braucht man auch noch Bewilligungen und idealerweise den Support von der öffentlichen Hand und dann realisiert man – die wollen kein Festival. Die wollen das Festival sogar verhindern!
Aber dann ist es schon zu spät und man hat bereits die erste Mitarbeiterin, bzw. Praktikantin, eingestellt und das Festival mutig und mit geschwelter Brust angekündigt und jetzt aufzugeben, wäre einfach nur noch peinlich. Es gibt also einfach so viel Neues und so viele Probleme, dass es schwierig wäre, eine grosse Herausforderung zu benennen.
Wenn du das heutige ZFF mit den ersten Ausgaben vergleichst: Was hat sich verändert?
Das ist ähnlich, wie wenn du den Nokia Communicator 9210 aus dem Jahr 2001 mit dem neusten iPhone vergleichst. Beide können telefonieren (=zeigen Filme). Beide haben eine Tastatur (=haben Gäste und Publikum), aber das ist es dann bald einmal mit den Gemeinsamkeiten. Heute ist das Festival in der ganzen Schweiz bekannt, hat weit über 100'000 Besucher und ist medial jedes Jahr sehr präsent. Es ist im internationalen Festivalkalender verankert und wirklich relevant.
Schaust du gerne auf die Anfangszeit vom ZFF zurück? Was bedeutet dir dieses Projekt heute?
Man beginnt die Anfangsjahre in Retrospektive zu glorifizieren und vergisst schnell, wie schwierig es war. Ich bin einfach froh, dass wir es überstanden haben und das Festival sich so schön entwickelt hat.
Welches ist deine liebste ZFF-Erinnerung?
Im Jahr 2019, als wir uns – gemeinsam mit Viviana Vezzani und Nadja Schildknecht – auf der Bühne vom Opernhaus vor Publikum, Weggefährten und Freunden als Management-Team vom ZFF verabschiedet haben. Das war sehr emotional.